Strategien künstlerisch-kuratorischer Intervention im öffentlichen Raum, Prof. Axel Loytved vom Kunstverein Sankt-Pauli im Gespräch mit Sven Christian Schuch, Künstlerischer Leiter spce | Muthesius
93Der Kunstverein St. Pauli ist eine interdisziplinäre Gruppe aus den Bereichen Kunst, Design, Gartenlandschaftsbau, Soziologie und Architektur, die sich 2006 in Form eines »OffSpaces« der Reeperbahn in St. Pauli gegründet hat. Die Auflösung des Ausstellungsraum im Jahr 2009 sowie die Übereinkunft der Gruppe, dass vor allem im öffentlichen Raum eine Auseinandersetzung mit Kunst notwendig ist, führte seitdem zur Erprobung experimenteller neuer Ausstellungsformen.
So wurde 2010 ein Überseecontainer angeschafft, der – zunächst auf dem Fischmarkt in St. Pauli aufgestellt – als Ort für Veranstaltungen diente. Von 2011 bis 2013 ging der Container auf Tour und wurde als Arbeits- und Präsentationsraum für Ausstellungen an verschieden Orten Deutschlands und Europas genutzt. Seit 2016 organisiert der Kunstverein St. Pauli »Parkplatztreffen«, bei denen jeweils mehrere Künstler eingeladen sind, ihre Werke in Autos zu realisieren, die an wechselnden Standorten geparkt sind. Von 2019 bis 2020 realisierte der Kunstverein St. Pauli die künstlerische Intervention »Cage Match« mit mehreren eingeladenen Künstler*innen in der Baustelle am Teehaus in den großen Wallanlagen/Planten un Blomen in Hamburg. Im September 2020 zeigte der Kunstverein die räumliche Intervention „Welt in Teilen“ auf dem Hamburger Heiligengeistfeld. Ende 2023 intervenierten sie räumlich im Vivo Center in Ottensen mit Praxis der Orte.
Prof. Axel Loytved wird über seine Erfahrung als Mitglied der aus Künstler*innen bestehenden Gruppe berichten.
Sven Christian Schuch ist freier Kurator und seit 2021 Künstlerischer Leiter des im Sommer 2022 gegründeten spce | Muthesius, der Ausstellen als eine prozesshaft forschende Praxis versteht und mit kuratorischen Mitteln unsere Gesellschaft und deren Zukünfte hinterfragt. Seine kuratorische Praxis ist davon geprägt, den klassischen Ausstellungsrahmen zu sprengen, neue Orte zu erschließen und einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs über Kunst und deren Inhalte zu erreichen. Neben Stationen bei der dOCUMENTA (13) in Kassel, Direktor der Galerie Sfeir-Semler (Beirut/Hamburg) und als Geschäftsführer des Schinkel Pavillon Berlin, initiiert und kuratiert er seit 15 Jahren Ausstellungsprojekte im öffentlichen Raum.
Im Gespräch wird er das Projekt Mind the Gap skizzieren, eine Ausstellungsreihe im stillgelegten Paternoster des historischen Bieberhauses, Hamburg, welche über knapp ein Jahr stattfand. Die Intervention in einer bestehenden und funktional angelegten Struktur widmete sich thematisch der Frage, wie bestehende Bausubstanz neu interpretiert, Stadtraum neu gedacht und soziale Teilhabe daran immer aufs Neue verhandelt werden. Der stillgelegte Paternoster des Hauses diente als kuratorische Klammer, als Träger von Emotionen und Geschichten; sein Stillstand sinnbildlich für veränderte Nutzungsbedingungen und neue Anforderungen an die Stadtgesellschaft. Teilnehmende Künstler*innen waren Cordula Ditz, Annika Kahrs, Alexandra Hojenski, Simon Hehemann & Christl Mudrak!